Neo-Kolonialismus & kommerzieller Kaffeehandel

Neo-Kolonialismus & kommerzieller Kaffeehandel

Was wäre ein Morgen ohne wohltuenden Kaffeeduft, was wäre der Café-Besuch mit Freund:innen ohne den cremigen Schaum des Hafer-Lattes und was würde bloß aus der guten alten „Kaffee & Kippe“-Pause werden? Zum Glück nur Fiktion, aber was Vielen nicht bewusst ist oder gerne verdrängt wird: Kaffee, wie wir ihn heute kennen, gäbe es nicht ohne die weitreichenden Folgen des Kolonialismus. Nun mag man meinen, dass es den Kolonialismus heute nicht mehr gibt, doch dieser versteckt sich hinter viel Intransparenz und ist heute bekannt als Neo-Kolonialismus. Der globale Norden profitiert wieder einmal von der Ausbeutung des globalen Südens, daran hat sich seit dem 16. Jahrhundert wenig geändert.

Wie Neo-Kolonialismus den Kaffeehandel prägt

Neo-Kolonialismus beschreibt den „Zustand, der von massiver Benachteiligung einheimischer Bevölkerungen zugunsten ausländischer Investoren gekennzeichnet ist, und eine Politik, die auf die Aufrechterhaltung von Abhängigkeitsverhältnissen abzielt. Im ersten Fall geht es um die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen, im zweiten darüber hinaus um die Kontrolle über die politischen Entwicklungen und die Machtpositionen im internationalen Kontext.“ [1]

Kommerzieller Kaffeehandel: Warum die Farmer:innen am Ende oft leer ausgehen

In der Welt des kommerziellen Kaffeehandels geht es meist nur um den schnellen Verkauf und hohen Profit. Dass solche Business-Modelle eine ungleiche Verteilung der Gewinne zwischen allen Beteiligten in der Wertschöpfungskette mit sich bringen, liegt auf der Hand. Besonders bei Agrarprodukten wie Bananen, Palmöl, Kakao oder eben Kaffee sind diese Ungleichheiten enorm zu spüren. Große Konzerne diktieren die Preise & zahlen meist nicht mehr als den aktuellen Börsenpreis für Kaffee. Börsenpreis? Ja, Börsenpreis! Oder um es genau zu sagen, der "C-Market-Price". Kaffee wird nämlich an der Börse gehandelt. Hier wird eine Momentaufnahme des internationalen Marktes gemacht, aus der der globale Börsenpreis für Kaffee festgelegt wird und woran sich der kommerzielle Kaffeehandel orientiert. Durch Schwankungen in Angebot & Nachfrage, globalen Logistik-Problemen oder zunehmenden Ernteausfällen durch Klimawandel-bedingte Wetterphänomene & Krankheiten ist der C-Market-Price sehr sprunghaft und bietet insbesondere Farmer:innen keine finanzielle Sicherheit. Ein weiteres Problem: der C-Market-Preis ist ein marktgetriebener Preis, der auf zukünftigen Verträgen beruht und nicht mit dem physischen Produkt „Rohkaffee“ an sich handelt. Er beruht also viel auf Spekulation, was zu einer großen Instabilität des Marktpreises führt.

Das heißt auch, dass keinerlei Faktoren mit in die Preiskalkulation fließen, die zur Produktion bzw. dem Anbau von Kaffee nötig sind. Lohn- und Produktionskosten, Vorfinanzierungen, Rücklagen usw. sind Kosten, die die Farmer:innen tragen müssen, jedoch nicht in die Kalkulation des Börsenpreises mit einfließen. Das führte in der Vergangenheit schon häufig dazu, dass der Börsenpreis niedriger lag als die gesamten Produktionskosten der Farmer:innen. Auch wenn der aktuelle Börsenpreis auf Rekord-Niveau liegt (2023/2024), bringt der kommerzielle klassische Kaffeehandel noch immer viele Probleme & Risiken für Produzent:innen mit sich. Denn es gibt keine Preisgarantie auf dem freien Markt, somit keine Planungssicherheit für Farmer:innen und keine existenzielle Sicherheit der Zukunft für die Menschen im Kaffeeanbau. Höhere Kosten für Dünger, Pestizide/Fungizide und die Inflation lassen den höheren Marktpreis ganz schnell schmelzen. Hinzu kommen Wasserknappheit, Dürren, extreme Wetterphänomene und weitere Folgen des Klimawandels, welche die Kosten der Farmer:innen zusätzlich in die höhe Treiben und mit unter zu Ernteausfällen führen. Unterm Strich verhindern diese Strukturen für die meisten Kaffeefarmer:innen das Planen einer sicheren und lebenswerten Zukunft.

Deshalb ist es so wichtig, langfristige Beziehungen mit den Farmerinnen und Farmern zu pflegen und sich gemeinsam vertraglich auf Preise zu einigen, die die enorme Arbeit des Kaffeeanbaus wirklich wertschätzen und unabhängig von der Börse sind. Nur so ist es möglich, klimaschädliche Monokulturen zu verhindern und die Verfügbarkeit unseres geliebten Kaffees auch in den nächsten Jahren vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen.

Quellen:

  1. Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.: Definition Neokolonialismus (https://www.fdcl.org/wp-content/uploads/2017/12/Definition-Neokolonial.pdf abgerufen am 24.11.2024, 18:02)
Zurück zum Blog